WIE KANN ICH GRUNDLAGEN DES SCHAUSPIELS IM
BERUFLICHEN ALLTAG UND BEI PRÄSENTATIONEN NUTZEN?
Ob wir es wissen oder nicht, wir alle „Schauspielern“, jeden Tag, ein Leben lang.
Wir nehmen Rollen an, legen Rollen ab.
Sind einmal Feind, dann Freund, dann Geliebter, dann Einkaufender, dann Chef, dann Täter, dann Opfer, Heilige und Held, Vernichtender und Sünder.
Müsste ich die Essenz der Schauspielkunst in einem Satz beschreiben so wäre es dieser:
„Schauspiel ist wahrhaftige Reaktion auf fiktive Umstände“
Und genau darum geht es, gegen jedes Klischee, bei einem guten Schauspieler: um Wahrhaftigkeit.
Und genau darum geht es auch, wenn man menschlich sein volles Potential erfüllen möchte, bei einem guten Meeting, einer guten Präsentation: um Wahrhaftigkeit.
Aber was genau meine ich in diesem Zusammenhang mit einem so vielfältig auslegbaren Begriff, wie "Wahrhaftigkeit"? Denn was ist schon „die Wahrheit“?
Klarerweise geht es in diesem Fall um die subjektive, die persönliche Wahrheit, die, wird sie gelebt, von Menschen als wahrhaftig empfunden wird und uns in unserer Essenz verbinden kann.
Das Publikum im Theater erkennt sie instinktiv, genauso wie die Zuhörer einer Präsentation.
Wahrhaftigkeit berührt, Wahrhaftigkeit öffnet, Wahrhaftigkeit ermöglicht eine Begegnung auf einer Ebene, die ursprünglicher und wertschätzender ist, als zum Beispiel die Ebene der Manipulation, des „vom anderen etwas wollen, egal wie“
Die Wahrhaftigkeit eines Schauspielers hat viel mit Ehrlichkeit, Präsenz und Selbstkenntnis zu tun.
Ich nehme den Moment mit allen Sinnen wahr, ich stelle mir dazu etwas vor, das nicht existiert (auch das tut jeder von uns tagtäglich) und kommuniziere Publikum und Mitspielenden in Worten, Gesten und Geräuschen, was in mir vorgeht. Da ich Herr meiner Sinne und meines Verstandes bin, bin ich mir zwar vieler innerer Befindlichkeiten bewusst, zeige aber davon nur das, was ich will.
Ein Schauspieler darf sich nämlich nicht, wie oft angenommen wird, „in der Rolle verlieren“, sondern muss sich permanent unter Kontrolle haben; somit kann er den etwaigen „Kontrollverlust“ bewusst modellieren, ist aber, im Falle einer gewalttätigen, vielleicht sogar mörderischen Rolle, dennoch keine Gefahr für Mitspieler und Publikum.
Ein Schauspieler muss messerscharfe Sinne haben und bewusst wahrnehmen, was in ihm und um ihn herum passiert. Die Kenntnis der menschlichen Natur darf nicht nur antrainiert und aus Büchern erlernt sein, sie muss tagtäglich bewusst an sich selbst erforscht und erfahren werden.
Wenn ich die Mechanismen und Spielereien der menschlichen Natur wahrhaftig verstehe, nicht nur rational, sondern eben auch auf der gefühlten Ebene, kann ich sie jederzeit konstruieren.
Somit ist das Leben eines Schauspielers ein ständiges Erforschen: seiner selbst und anderer.
Daraus entwickelt sich im besten Fall Verständnis, Wahrhaftigkeit/Authentizität und Mitgefühl.
Ihnen ist wahrscheinlich inzwischen schon klar geworden, dass all diese Qualitäten - ein Bewusstsein der eigenen Wahrheit, scharfe Sinne, ein grundlegendes Verständnis der menschlichen Natur und Meisterschaft über Körper und Verstand - nicht nur Eigenschaften sind, von denen ein Schauspieler profitieren kann.
Erst wenn ich mich wirklich gut kenne, kann ich auch wissen, was ich will, was mir mein Projekt tatsächlich bedeutet, was es ausmacht.
Erst wenn ich zu authentischem Auftritt fähig bin, kann ich auch meinen Gesprächspartner in die Wahrhaftigkeit mitnehmen und Kommunikation entstehen lassen, die beide Seiten schätzt und sich selbst sein lässt; in der gemeinsame Ideenentwicklung und fruchtbare Zusammenarbeit möglich wird.
Grundlagen des Schauspiels (=der wahrhaftigen Kommunikation) zu erlernen, lohnt sich daher nicht nur für angehende Schauspieler, sondern für Jedermann.
Falls sie Interesse daran haben, Grundlagen des Schauspiels in ihr Leben zu integrieren und somit diese Qualitäten (Sinnesschärfe, Bewusstheit, Wahrhaftigkeit, Verständnis, Ausdruck, Menschenkenntnis) zu verstärken, lohnt es sich, eine oder mehrere der folgenden Aktivitäten in ihr Leben zu integrieren:
1. Sinnschärfung und Steigerung von Wahrnehmung und Präsenz:
Zum Beispiel:
Meditation (es gibt viele unterschiedliche Techniken, probieren sie aus und finden sie eine, die zu ihnen passt)
Yoga
Tai Chi
Tanz
Erlernen eines Musikinstruments
2. Vertiefendes Verständnis der menschlichen Natur:
Zum Beispiel:
Improvisation
Schauspielübungen von Stanford Meisner, Lee Strasberg, Stella Adler und Konstantin Stanislavskij
Rollenarbeit
Beobachtungsübungen
Jeder bewusst erlebte zwischenmenschliche Kontakt (weshalb die Grundlage jeglichen Schauspiels die Meditation ist. Regelmäßige Meditative Praxis steigert all die Qualitäten, die ein Schauspieler braucht und wie wir inzwischen wissen, nicht nur ein Schauspieler..)
3. Verstärkung von Ausdruck und guter Kommunikation:
Zum Beispiel:
Atem und Sprechtechnikübungen
Reiki und Shiatsu (löst Blockaden)
Contact-Dance
Paar-Tanz
Aus : "Navigating through Chaos" Leitfaden für Kulturschaffende, vom European Culture Contact Point
Text & Copyright: Corinna Lenneis